Near to you... - Anna (websites to read books for free .txt) 📗
- Author: Anna
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Kalte Nachtluft streift mein Gesicht. Doch es fühlt sich wundervoll an. Den dunklen, kühlen Hauch zu spüren - ihn einatmen und verinnerlichen. In den klaren, wolkenlosen Himmel zu blicken, die tausend leuchtenden Sterne zu sehen, lässt meine Gedanken langsam abschweifen ...
Ich sitze an meinem Lieblingsplatz - für mich der schönste Ort der ganzen Welt. Die Abendsonne strahlt mir ins Gesicht und fällt auf die Felsen unter mir. Der Himmel fern am Horizont färbt sich blutrot. Hier, an diesem Ort, ist alles so still. Als ob die Zeit hier stehengeblieben wäre. Nichts hätte sich verändert.Es fühlt sich schön an, einfach hier zu sitzen, dem kleinen grasbewachsenen Fleck, der Mittags vom Schatten eines kleinen Baumes verdunkelt wird, wenn die Sonne scheint. Ich bin weit weg von der normalen, viel zu schnellen Welt. Es tut gut, hier das Gefühl zu haben, auf Wolken zu schweben. Es fühlt sich so leicht und unbeschwert an, dass ich es eigentlich bloß träumen kann. Und leider ist es auch so. Doch dieser eine Moment, in dem ich nur die sommerliche Luft einatme, die Augen schließe und die letzten Sonnenstrahlen des heutigen Tages genieße, ist besonders. Ich fühle mich seltsam frei. Als ob die Last, die auf meinen Schultern liegt, einfach die Klippen vor mir runtergefallen wäre. Ich wünsche mir so, dass es wirklich so ist. Oft habe ich nachgedacht, mich einfach fallen zu lassen. Warten, bis ich unten angekommen bin und auf die unendlich tiefe Schwärze, die einfach alles Schlechte für immer verschlucken würde. Doch heute dachte ich nicht daran. An diesem Tag hatte ich einen anderen Gedanken: "Ja. Irgendwann wird die Last über die Felsen stürzen. Doch ohne mich." Ich werde hier oben stehen bleiben und ihr nachschauen. Den schweren Ketten. Den großen Schlössern, wie sie dort unten am Stein in tausend Teile zerbrechen. Und dann werde ich endlich frei sein. Ich werde wieder klar sehen können.... Ich wache auf und bemerke, dass ich wieder in meinem Bett liege. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich wieder dorthin gekommen war. War ich heute Nacht wieder durch die Haustüre gegangen? Doch egal, wie sehr ich mich bemühe, es fällt mir einfach nicht ein. Ich weiß nurnoch, dass ich draußen in unserer Straße stand, mitten in der Nacht, und die frische, kühle Luft genoss. Mit einem Lächeln auf den Lippen an diesen Gedanken, stehe ich auf, gehe ins Bad und dusche mich. Die warme Luft kondensiert an der kalten Scheibe, als ich die Glastüren öffne und mich in ein Handtuch einwickle. Ich trocke mich ab und ziehe mich anschließend an. Keine besonders hübsche Sachen, denn das brauche ich auch nicht. Dort, wo ich hingehe findet man mich auch schön. Ich öffne die Türe, um nach draußen zu gehen. Währenddessen fällt mir mein Schlüssel wieder ein. Wo hatte ich ihn nur hingelegt? Hatte ich ihn gestern Nacht verloren? Doch ich kann mich nicht erinnern, dass ich ihn dabei hatte ... "Komisch", denke ich, "wie bin ich dann wohl reingekommen?" Doch schon nach kurzer Zeit verfließen diese Gedanken wieder. Denn ich erinnere mich, wo ich eigentlich hinwill. Und dort zählen solche kleinen Dinge nicht.Ich erinnere mich gut daran, wie ich dieses wunderbare kleine Fleckchen fand. Ich verlor mich mal wieder in der unendlich Trauer, die ich jeden Tag fühle. Es war frisch und wolkig draußen - der Herbt kam. Ich sah die vielen bunten Blätter im starken Wid fliegen, als ich lief. Einfach wegging von zu Hause. Ich ging einen unbekannten, schmalen Schotterweg entlang, vorbei an Wiesen, einem kleinen Bach und dann sah ich sie, die riesigen Felswände. Umrandet von vielen Bäumen und Sträuchern. Mein Herz klopfte seltsam schnell, als ich den kleinen Weg verließ, und auf den Ort zusteuerte, der irgendetwas Besonderes an sich hatte. Auf meinem Weg dorthin beobachtete ich ständig nur diese eine Stelle. Dieser kleine Teil, hoch oben. Ein von Gras bewachsener Vorsprung, über dem ein kleiner Baum stand. Ich achtete kaum mehr auf den löchrigen Boden. Meine Füße gingen wie von selbst vornan ohne jedoch einmal zu stolpern oder in eines der Löcher zu fallen, und dann stand ich da. Direkt vor der riesigen Steinwand. Es sah atemberaubend aus. So wunderschön, wie die großen Felsen in den Himmel ragten. Ich wollt eunbedingt dort hinauf. Mich in das Gras setzen, den Duft des Baumes riechen, die Luft schmecken und während ich über das nachdachte, erblickten meine Augen den schmalen Pfad, der durch den kleinen Wald führte, steil den Berg hinauf, direkt zu der Stelle, die ich zu erreichen versuchte. Fest entschlossen erklomm ich den Berg. Und plötzlich öffnete sich die dicke, graue Wolkendecke am Himmel und ließ die herbstlich warme Sonne direkt in mein Gesicht scheinen. Ich wusste, dass ich etwas gefunden hatte, das womöglich alles verändern würde.
Nach einer gefühlten halben Stunde kam ich endlich oben an und sah, dass sich der Wald lichtete. Ich war völlig außer Atem und wollte mich einfach setzen, denn meine Füße schmerzten. Also lief ich noch ein paar Schritte und setzte mich dann einfach auf das leicht nasse Gras. Ich schloss die Augen und genoss einfach den wunderbaren Wind im Gesicht. Als ich sie wieder öffnete, war ich überwältigt; ich saß genau an der Stelle, zu der ich wollte! Ich hatte mich unbewusst auf den kleinen grasbewachsenen Fleck gesetzt, der von dem kleinen Baum beschatten wurde - hoch oben auf der Felswand. Ich blickte hinunter und sah die wunderschöne, sonnenbeschienene Welt zu meinen Füßen. Mir kamen bei diesem Anblick die Tränen und ich dachte nur:"Das kann nur Schicksal sein, dass ich genau hier gelandet bin." Vorsichtig stand ich auf, und blickte wieder auf diesen wundervollen Ort, der in diesem Augenblick nur mir gehörte.Ich muss noch ein kleines Stückchen laufen, und ich bin wieder dort. An dieser für mich heiligen Stelle. Und dann stehe ich da, und plötzlich wird der Wind immer stärker. Er pfeift mir um die Ohren und lässt das Laub des kleinen Baumes bedrohlich rascheln, die Äste biegen sich schwer unter dem heftigen Wind. Doch es jagt mir keine Angst ein, denn für mich fühlt es sich so an, als ob dieser Wind meine endlosen Sorgen einfach wegwehen will; dass er sie ganz weit weg mit sich forttragen will. "Ja, an diesem Ort herrscht wirklich Magie", flüstere ich leise. Denn solange ich hier bin, bin ich glücklich. An mir zieht alles vorbei. Da hört der heftige Wind wie von Zauberhand wieder auf. Ich setze mich und sehe plötzlich etwas in der Sonne glitzern. Ganz leicht strahlt es mich an, als ob es mir sagen will, dass ich dorthin gehen soll. Also stehe ich auf, in dem Wissen, dass es einfach ein Zeichen sein muss. Als ich mich dorthin bewege, fällt mir mein Schlüssel wieder ein. "Ich werde ihn schon finden", dachte ich nur kurz.Und ja, ich fand ihn auch wieder. Denn als ich an dem kleinen schimmernden Gegenstand ankam und ihn aus dem Gras aufheben wollte, erkannte ich es: meinen Schlüssel. Ich dachte nicht einmal daran, wie ich denn ohne ich gestern ins Haus kam. Dieser Ort verbarg so viele Geheimnisse und Wunder, dass ich das alles hier für normal hielt. Doch eines wusste ich ganz sicher:Das, was ich mir gestern gedacht hatte, würde eines Tages wahr werden. Denn mein Schlüssel war für mich das Zeichen, dass ich irgendwann hier oben stehen werde, die Schlösser meiner unendlich schweren Ketten damit öffnen werde und sie die Felsen hinunter werfen werde....Alles war noch genau wie früher. Der Baum, die Wiesen, die Felsen. Nein, hier hatte sich nichts verändert. Nur ich. Ich wohnte schon lange nichtmehr hier. Ich war nichtmehr das kleine 15-jährige Mädchen von damals. Ich war eine erwachsene Frau, die alles geschafft hatte, was sie in ihrem Leben hatte erreichen wollen. Denn Gott stellte mir einige seiner Engel zu Seite, die mir helfen sollte, den rechten Weg einzuschlagen. Und dank ihrer Hilfe schaffte ich es dann letztendlich.Lange war ich nichtmehr hier, doch es war für mich immer noch der schönste Platz der Erde.Ich erinnere mich heute zurück. Nach so vielen Jahren. Trotzdem hatte ich mein damaliges Versprechen nie vergessen. Meinen kleinen Schlüssel - ich hatte ihn immer aufgehoben. Nach dieser langen Zeit.Damals war ich 15, und ich trage ihn immernoch um den Hals. Doch heute wird es das letzte Mal sein. Denn ich stehe wieder hier - wie früher. Die gleichen Klippen, der gleiche sanfte Wind. Ich nehme mir die Kette mit dem Schlüssel vom Hals. Schaue ihn noch einmal ganz genau an, denke an die Zeit zurück, in der alles so schwer war. Im Stillen danke ich Gott - und diesem Ort - denn sie hatten mich leben lassen.Doch heute würde alles vorbei sein. Ich drücke ihn an meine Brust, lasse ihn langsam aus meinen Fingern gleiten und lasse ihn los ...Und plötzlich spricht mein Herz zu mir: "Du kannst ruhig mitgehen. Niemand wird dir böse sein, versprochen. ER erwartet dich schon." Und ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, weiß ich, dass es richtig ist. Ich gehe zum Rand der Klippen, bis meine Zehspitzen die Kante überragen. Langsam atme ich aus und ein und bemerke, wie der Wind wieder zunimmt. Mein letzter Gedanke, den ich auf dieser Welt hatte, war: "Danke. Für alles." Und dann ließ ich mich einfach fallen, und es fühlte sich garnicht schlimm an.Jetzt sitze ich im Himmel und warte, bis jemand Neues meinen Platz, meine Welt entdeckt. Und dass ich demjenigen ein Engel sein darf, so wie ich meine hatte.
Text: Anna
Images: Anna
Publication Date: 01-12-2013
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